Artist in residence in Waaw in Saint Louis/Senegal

 

 

photo aus dem Musical „Toubabs in Saint Louis“ von Eeva-Liisa Pukaka und Claire-Rose Barbier

Maria Dubrovskaja (versteckt ), Hannah Feigl, Heather Foster, Mouhammed Diop, Petra Hudcova, Riitta Liede, Martina Martinović, Claire-Rose Barbier, Ted Higney

 

http://vimeo.com/94898640

 


Die Monate April und Mai dieses Jahres verbrachte ich in der Residence Waaw in Saint Louis im Senegal um an der Dak'Art OFF „Le Fleuve en couleurs“ teilzunehmen, KünstlerInnen aus aller Welt kennen zu lernen und neue Eindrücke zu sammeln. Zum Glück hatte ich zwei Monate Zeit, den die ersten 1 ½ Wochen war ich vor allem überwältigt von all den neuen Eindrücken. Danach allerdings malte ich umso mehr, da unsere Ausstellung in der Galerie Agneau Carnivore am 14. Mai eröffnet wurde, und ich zumindest 3 große Bilder zeigen wollte. Und ich malte auch noch ein 4. Bild, das später ebenfalls in der Ausstellung präsentiert wurde. 

„Saint Louis“ auf Wolof „Ndar“ ist eine Stadt voller Widersprüche. Die Insel der Stadt ist Unesco Kulturerbe, ein anderer Teil der Stadt das Fischerdorf „Guet N´Dar“ besteht aus Wellblechhütten und die auf engstem Raum zusammenlebende Bevölkerung verfügt über keine Kanalisation und lebt in zum Teil ärmlichsten Verhältnissen. Allerdings kann es schon vorkommen, dass ein Haushalt zwar kein Klo und keine Küche dafür aber einen Fernseher mit Flachbildschirm besitzt.

 

 

 

Blick von Guet N´dar auf die Insel

 

 

Die Ufer des Flusses und des Meeres in Saint Louis sind voller Müll und die Gerüche zum Teil unerträglich. Überall in der Stadt sieht man Ziegen und Schafe und Kühe. Die Kühe sehen anders aus als wie bei uns, knochiger mit längeren Hörnern und die Schafe sehen aus wie Ziegen, deshalb dachte ich zuerst alle wären Ziegen. Einem Kind, welches mit seinen Eltern irgendwann vor mir in der Residence war, muss er ähnlich wie mir gegangen, denn es hat in das Gästebuch von Waaw geschrieben :“ I love Saint Louis, because I love all goats, even the dead ones!“, was es ziemlich gut trifft. Die Tiere laufen nicht nur überall frei, sondern so manche liegen auch tot herum, meist am Ufer des Flusses, mit aufgeblähten Körpern und keiner scheint sich darum zu kümmern. Neben den Kadavern springen Kinder ins Wasser, was mich anfangs sehr schockiert hat, aber irgendwann gegen Ende meines Aufenthalts bin sogar ich an einem Strand schwimmen gegangen obwohl dort ein Katzenkadaver lag. Wir sind eine Stunde mit dem Taxi in das Naturschutzgebiet Langue de Barbarie gefahren um Schwimmen gehen zu können, aber Tierleichen sind überall...

 

Die Stadt ist voller Talibé, das sind Kinder, Buben die zum Betteln auf der Straße geschickt werden und nur in Koranschulen Unterricht bekommen unter dem Vorwand einer alten Tradition (http://blog.plan-deutschland.de/2008/10/17/das-harte-schicksal-der-talibe-kinder-im-senegal/). Wenn ich zum Beispiel beim Obst und Gemüsestand einkaufen war, umringten mich sofort die Kinder. Manchmal kaufte ich ihnen Bananen, einmal liess ich mich überreden eine Mango zu kaufen, zwei Buben liefen damit davon, dann kaufte ich noch eine und gab sie einem Jungen, daraufhin kamen andere und sie begannen zu raufen. Einmal sah ich einen Buben am Gehsteig vor unserem Haus mit dem Kopf statt auf einem Polster auf einer Konservendose schlafen. Diese vielen verwahrlosten Kinder, manche noch ganz klein, vielleicht 4, 5 Jahre alt auf der Straße waren ein Anblick an den ich mich nicht gewöhnen konnte.



 

Talibé an der Brücke von Saint Louis

 

 

Die Senegalesen lieben Design und jeder der sich´s leisten kann hat seinen eigenen Schneider, entwirft seine eigenen Kleider und jeden Freitag kleiden sich besonders die Frauen, aber auch die Männer extra chic. Für uns AusländerInnen in unseren Jeans gab es da nur mitleidvolle Blicke. Wenn wir uns aber auch schön angezogen haben, besonders wenn es senegalesische Mode war, wurden wir dafür sofort mit Komplimenten belohnt. 

 

 

 

 

 die senegalesische Designerin Rama Diaw (mit roter Kette) bei einem Workshop 

 

 

Und wir haben uns so gerne Stoffe gekauft und den Schneider beauftragt um uns für westliche Verhältnisse unglaublich wenig Geld Kleider maßschneidern zu lassen . Oder wir haben uns bei der Designerin Rama Diaw eingekleidet (die ich übrigens im Sommer bei den Afrika-wochen in Wien wieder getroffen habe). Auch die Burschen begannen sich Designs für Hemden und Shorts zu entwerfen und es schneidern zu lassen. Wir fühlten uns wie im Modehimmel und bewunderten uns gegenseitig in unseren neuesten Errungenschaften.

 

 

 

 

mit Miles Noel und Colin Henley stolz im neuen Outfit

 

Senegal ohne Musik ist undenkbar. Musik ist überall, seien es Trommeln und fast meditativen Gebete,  traditionelle Musik, Jazz, Reggae, Rap, Hip-Hop.... Dank Claire-Rose Barbier, einer französischen Kollegin von Waaw, die nicht nur Bildhauerin sondern auch Musikerin ist und die auch die Idee für unser Musical hatte, die Musik komponierte und die Texte schrieb! war Musik nicht nur rund um sondern auch in Waaw. Sie spielte gemeinsam mit Mbemba Diebate bei Konzerten (http://www.youtube.com/watch?v=JYU-q_Lt3Io) und über sie lernte ich Mbemba, den ich portraitierte, auch kennen. Und dann gab es noch Mama Sadio, der Star von Saint Louis, sie trat jeden Freitag im Sputnik, einer kommunistischen Bar ums Eck von Waaw auf und begeisterte mich dermaßen, dass ich mindestens vier Konzerte von ihr besuchte (www.youtube.com/watch?v=WLd6yKfgb8k und mir vor meiner Abreise noch eine cd und eine dvd von ihr auf dem Markt kaufte, was gar nicht einfach war (der Straßenhändler musste zu ihr nach Hause fahren..). Die dvd habe ich mir dann in Wien erst so richtig angesehen und da bin ich erst drauf gekommen, dass es ein mit Musik unterlegtes Video gegen die Beschneidung von Mädchen im Senegal war.

 

www.facebook.com/mamasadio

 

Es gibt unglaublich viel Kultur in Saint Louis! Konzerte, Ausstellungen, die Dak'art OFF „Le Fleuve en couleurs“  in Saint Louis hatte 36 Ausstellungsorte (in Dakar waren es 230!), Lesungen, verschiedenste Festivals ect. und die Menschen begeistern sich dafür (http://www.biennaledakar.org/2014/IMG/pdf/guide-saint-louis-dakart-off-2014.pdf). An dem Tag als wir unsere Ausstellung aufbauten war ganz Saint Louis in Aufregung und in jedem Lokal und Hotel, in jeder Galerie und privatem Ausstellungsort wurde vorbereitet, gerahmt, gebohrt, Bilder gehängt und beschriftet ect. 

 

Ich stellte mit zwei meiner Kollegen aus Waaw Claire-Rose Barbier (siehe oben) und Ted Higney, einem Objektkünstler aus Kanada, in der Galerie Agneau Carnivore aus. Diese ist zum Teil auch Buchhandlung und Galerie für afrikanische Kunstobjekte und gehört Agneau Carnivore, einem seit ewigen Zeiten in Senegal lebenden, sehr kunstinteressiertem und unendlich liebenswürdigen Franzosen mit einem Hang zum Tratsch, dem auch egal ist ob man gut, schlecht oder fast gar nicht Französisch spricht, es hindert ihn in jedem Fall in keinster Weise in seinem Redefluss.

 

 

 

 Claire-Rose Barbier, photo: Miles Noel

 

 

Ted Higney, photo: Miles Noel

 

 Hannah Feigl, photo: Miles Noel

 

Die Motive für meine Bilder sind vier der Menschen, denen ich begegnet bin und die mich beeindruckt haben. Drei großformatige Portraits : Marie-Caroline Camara, die "Grande Dame" von Saint Louis, die für die Unesco arbeitet und auch im Kunst & Kulturbetrieb von Saint Louis eine wichtige Rolle spielt, Mbemba Diebate ein berühmter aus der Casamance stammender Cora-spieler (die Cora ist ein traditionelles senegalesisches Saiteninstrument) und Henri Sagna, einen bekannten senegalesischen Künstler, der als artist in residence im französischem Kulturinstiut in Saint Louis eingeladen war, und dessen Arbeiten in der Galerie des Kulturinstitutes präsentierte wurden (siehe portraitagentur.wordpress.com), sowie ein lebensgroßes Bild des jungen tanzenden Senegalesen Mouhamed, des Burschen, der in unserer Residenz gearbeitet hat und der einer der liebenswürdigsten Menschen ist, die ich je getroffen habe. Er meinte der Gemalte auf dem Bild wäre sein Zwilling, was ich sehr interessant fand. Die Farben der Hintergründe der Bilder, sind die Farben der Stadt.

 

 

 

mein Teil der Ausstellung mit Katze, noch ohne dem Portrait von Henri Sagna und kleiner Skulptur von Ted Higney

 

Alle Bilder sind Öl gemalt auf Leinwand, wobei ich alle Materialien: Farben, Pinsel, Leinwand und Grundierung selber mitbringen musste was auch nur deshalb möglich war, weil ich im Flieger zwei Gepäckstücke bis 25 Kilo mitbringen durfte, wäre ich allerdings nicht zufällig gleichzeitig mit meiner Kollegin Petra Hudcova aus Prag geflogen, die mir mit meinen Koffern geholfen hat, weiß ich nicht wie ich es aus dem Flughafen raus geschafft hätte. Die Rahmen für die Bilder liess ich mir von einem Tischler in Saint Louis anfertigen, die wurden später an einen senegalesischen Maler verschenkt.

 

 

 

 Portrait Henri Sagna von Hannah Feigl

 

 

Meine Bilder, bis auf das Portrait von Henri Sagna, dass im Senegal blieb und für das ich im Gegenzug eine Arbeit von Henri Sagna bekommen habe, blieben bis Ende der Ausstellung am 8. Juni in der Galerie und wurden später von Staffan Martikainen, einem der finnischen Leiter von Waaw abgespannt, in einer Rolle nach Brüssel mitgenommen und von dort per Post nach Wien geschickt. Ich war sehr froh darüber, denn beim Rückflug hatte ich nicht viel weniger Gepäck als beim Hinflug (die Stoffe, die Kleider, die Geschenke...).

 

 

 

 

 Portraitobjekt von Henri Sagna  Dak'art OFF , Institut Français, Saint Louis ,Sénegal, 2014

 

 

 

 Marie-Caroline Camera mit ihrem Bild, photo: Jarmo Pikkujamsa

 

mit Mbemba  vor seinem Portrait, photo: Maria Dubrovskaja

 

Mouhamed Diop mit seinem  Bild, photo: Jarmo Pikkujamsa

 

 

Die Besucher mochten meine Bilder und ich wurde von vielen Menschen zu meinen Arbeiten befragt. Ein Universitätsprofessor wollte seine Eltern von mir malen lassen, war jedoch von meinen Preisen geschockt (obwohl ich die Preise in Senegal um mehr als die Hälfte reduziert habe, aber für senegalesische Verhältnisse dennoch unerschwinglich) und ich schenkte ihm schließlich eine kleine, nach einem Foto gemachte Zeichnung seiner Eltern.

Ich wurde auch eingeladen in einer öffentlichen Highschool zu unterrichten. Das tat ich dann auch, allerdings wurden aus der erwarteten einen Stunde mit 30 Kindern, insgesamt 6 Stunden in zwei Schulen mit 120 Kindern, zu denen ich auch Papier und Stifte mitbringen musste. Zudem hatte ich dem Direktor der Highschool in einem schwachen Moment versprochen ihn zu zeichnen, was mich während des Unterrichten zusätzlich ins Schwitzen brachte. Die Kinder sprachen wenig bis gar kein Englisch und meine Französischkenntnisse sind eher bescheiden...So war das Unterrichten in der Highschool durchaus ein Abenteuer. Es hat aber alles irgendwie funktioniert und die Kinder schienen zufrieden und haben sich bei mir bedankt und das war´s mir dann schon wert.

 

 

 

in der Highschool 1, photo: Antti Tapaninaho 

 

 

in der Highschool 2, photo: Antti Tapaninaho 

 

Meine letzten zwei Tage in Senegal verbracht ich mit meinem kanadischen Kollegen Ted Higney in Dakar und der senegalesische Künstler Henri Sagna, war so liebenswürdig mit uns die wichtigsten Ausstellungsorten der Dak'art (http://www.biennaledakar.org/2014) zu besichtigen. Wir hätten allerdings auch noch 2 Wochen dortbleiben können und hätten bei weitem nicht alles gesehen, dennoch und Dank Henri´s kluger Auswahl hatten wir doch einen großartigen und eindrucksvollen Einblick in die größte afrikanische Kunstmesse.

 

mit Ted Higney und Henri Sagna in Dakar

 

Abschließend betrachtet war mein Aufenthalt im Senegal eine schöne, ereignisreiche, sehr produktive Zeit in der ich das Glück hatte wunderbaren Menschen zu begegnen, viele von ihnen tolle Künstler, und ich möchte diese Zeit nicht missen und werde immer eine schöne Erinnerung auch an das Land Senegal behalten, dass mich trotz seiner Widersprüche in Bann gezogen hat und die Offenheit und Freundlichkeit seiner Bewohner werde ich wohl immer vermissen.